Hamberger: Eine einfache Frage eigentlich, die aber gar nicht so leicht zu beantworten ist. Denn im Wald ist die Fläche entscheidend, nicht die Zahl der einzelnen Bäume. Um es zu verdeutlichen: Nehmen Sie eine alte Buche. Die ist tatsächlich klimarelevant, weil sie CO2 bindet und Sauerstoff für den Menschen ausstößt. Unter diesem Baum befinden sich aber möglicherweise 50.000 Keimlinge. Alles Bäume, aber relevant auf dieser Fläche von vielleicht 50 Quadratmetern ist nur die eine alte Buche, nur die bleibt und nur einer der 50.000 Keimlinge wird sie irgendwann
ersetzen. Wir brauchen gegen den Klimawandel viel Waldfläche
Hamberger: Den Gedanken, Bäume zu pflanzen, finde ich super. Und auch, dass sich Leute engagieren, um die Zukunft positiv zu gestalten. Wir raten allerdings dringend ab, solche Setzlinge im Wald einzupflanzen. Denn im Wald darf nicht jeder beliebige Baum gepflanzt werden, da die Baumart und die Genetik der Baumart zu dem jeweiligen Ort passen müssen. Bäume haben sich über Jahrtausende an das Klima angepasst. Bei dieser holländischen Aktion „Mehr Bäume jetzt“ gibt es jedoch in der Regel weder Informationen über die Qualität der Elternbäume noch
darüber, an welches Klima die Bäume angepasst sind. Somit ist die Gefahr ziemlich hoch, dass aus „gut gemeint“ ein schlechtes Ergebnis für den Waldbesitzer und den Wald entstehen kann.
Hamberger: Bei Neuanpflanzungen im Wald dreht sich alles um die geeigneten Erntebestände. Die Elternbäume müssen durch Qualität, Gesundheit und Anpassungsfähigkeit überzeugen. Die Erntebestände sind jeweils einem Herkunftsgebiet, einer klimatischen Region zugeordnet. Somit ist klar, an welches Klima die Nachkommen angepasst sein werden. Eine Buche aus den Alpen treibt zum Beispiel einige Wochen später aus als eine aus einer nördlicheren Region. Wenn man nun eine Buche aus dem Norden in Marktoberdorf einpflanzt, wird sie früher oder später Schäden
durch Spätfrost bekommen, da sie zu früh startet.
Die Erntebestände werden amtlich zugelassen und die Ernte und Anzucht der Pflanzen kontrolliert. Das Saatgut und die daraus gezogenen Pflanzen erhalten eine „Geburts- oder Abstammungsurkunde“, aus der hervorgeht, woher sie tatsächlich stammen und die bezeugen, dass sie für
forstliche Zwecke geeignet sind. Somit kann der Waldbesitzer genau die Pflanzen kaufen, die für seinen Wald am besten geeignet sind.
Im Wald gelten das Forstvermehrungsgesetz und das Waldgesetz. Der Sinn dieser Vorschriften ist es natürlich nicht, Waldbesitzer zu ärgern, sondern sie zu schützen. Die Gesetze sollen sicherstellen, dass ein Waldbesitzer nur qualitativ hochwertiges Vermehrungsgut erhält. Auch die
Baumschulen müssen sich an die Vorschriften halten und dürfen nur zugelassene Bäume mit einem Herkunftsnachweis verkaufen.
Hamberger: Das Amt für Waldgenetik spricht für jede Baumart Herkunftsempfehlungen aus. Das gründet sich auf Erntebeständen, die uns in einer Region bekannt sind. Diese Bestände sind gesund, kartiert und genetisch untersucht. Aus diesen Waldstücken wird auch das Saatgut gewonnen, das wiederum Grundlage ist für die Baumschulen. Wenn wir also zum Beispiel wieder die Buche nehmen, dann gibt es fürs Allgäu 15 bis 20 Herkunftsbestände. Nur Pflanzen, die aus diesem Saatgut nachgezogen sind, dürfen in Allgäuer Wäldern gepflanzt werden.
Hamberger: Die bereits messbaren und erwarteten Veränderungen durch den Klimawandel stellen für den Wald große Herausforderungen dar. Die Verwendung klimaangepasster Herkünfte wird deshalb umso wichtiger. Je nach Forschungsstand passen wir unsere Empfehlungen regelmäßig an und ergänzen sie. Im Allgäu eignen sich zum Beispiel für Lagen unter 900 Metern Weißtannen aus dem Schwarzwald sehr gut.
Hamberger: Es gibt in Bayern 800.000 Waldbesitzer – eine ganz enorme Zahl! Die Empfehlungen des Amtes für Waldgenetik sind allerdings nur für Staats- und Körperschaftswald verpflichtend. Im Privatwald sind sie es nicht. Ehrlich gesagt, lässt sich die Einhaltung der Gesetze im Privatwald eigentlich auch nicht kontrollieren. Allerdings benötigen Waldbesitzer Herkunftsnachweise, wenn die Pflanzung staatlich gefördert werden soll. Unabhängig davon sollten alle Waldbesitzenden die große Vorarbeit und Bündelung jahrelanger Forschung in den Herkunfts- und
Verwendungsempfehlungen nutzen, um stabile, klimafitte und produktive Wälder zu schaffen.
Hamberger: Das Allgäu ist klimatisch ein begnadetes Stückchen Bayern. Hier sieht es ja im Vergleich zu anderen Regionen Bayern mit den Niederschlägen noch relativ gut aus. Daher würden wir fürs Allgäu weiter den Bergmischwald empfehlen, der aus den vier Baumarten Buche, Fichte, Tanne und Bergahorn besteht. Ein fitter, resistenter Wald sollte zudem gestuft sein und nicht homogen. Das heißt, eine Mischung aus jungen und alten, hohen und niedrigeren Bäumen ist am besten. Solche Wälder sind bei Sturm stabiler.
Hamberger: Im Allgäu werden die Niederschläge zwar weniger, sind von der Menge aber insgesamt noch gut. Was ein Baum für die Zukunft dennoch können muss: Er muss mit längeren Trockenphasen zurechtkommen. Und er muss gut durchwurzeln, um den vermehrten Starkniederschlägen standhalten zu können.
Hamberger: Meine Empfehlung an die Waldbesitzer: Geht zu Eurem Forstamt und macht mit dem zuständigen Revierleiter einen Waldbegang. Der Revierleiter berät kostenlos und gibt bereits vor Ort Empfehlungen, wie eine Verjüngung des Waldes am besten klappen kann. Wer eine Beratung in Anspruch nimmt und klimatisch passende junge Bäume mit Herkunftsnachweis pflanzt, erhält auch eine staatliche Förderung für jeden gepflanzten Baum. Mit diesem Vorgehen erhält jede Waldbesitzerin und jeder Waldbesitzer die Sicherheit: Es kommen nur Bäume in den Wald, die da tatsächlich hinpassen.
Interview: Dirk Ambrosch